Scheidung

Morgen werde ich geschieden. Nach 15 Jahren Beziehung und 3 Jahren der Trennung.

Und das alles fühlt sich für mich sehr gewaltvoll an. Nicht, weil ich mich mit meinem Ex-Partner streiten würde. Sondern eher aufgrund dieser offiziellen Prozedur. Die Kommunikation zwischen Anwälten, Gericht und uns. Diese formale Sprache und Kommunikation ist so voller Gewalt, dass es schwer ist, sich davon nicht in meinem emotionalen und Beziehungsstatus betroffen zu fühlen.

 

Sie sprechen von „Streitwert“, von „AntragsGEGNER“, von Fristen und Strafen … Weder sind wir im Streit miteinander, noch sind wir Gegner oder wollen dem anderen etwas Böses. Wir sind einfach zwei Menschen, die damit klarkommen müssen, dass das Leben uns manchmal in unterschiedliche Richtungen führt. Eine Sprache und Kommunikation voller Gewalt und (im wahrsten Sinne des Wortes) Trennung ist nicht wirklich hilfreich, um mit dem Schmerz umzugehen, der mit einem solchen Prozess bereits verbunden ist. 

 

Vor ein paar Wochen hatte ich meine erste Begegnung mit der Idee der Beziehungs-Anarchie. Und es hat mich wieder darauf aufmerksam gemacht, wie sehr die Schubladen verschiedener Beziehungsarten, die wir in unserer Gesellschaft verwenden, für mich mehr Trennung bringen, als einen Mehrwert. All diese Erwartungen und Vorstellungen, wie romantische oder platonische Beziehungen auszusehen haben, und vor allem wie NICHT, verschließen die Türen für all die Schönheit, die ZWISCHEN ihnen wachsen könnte. Warum nicht den Fokus auf die Qualitäten legen, die ich mit jemandem teilen kann und eine Beziehung darüber definieren, als ein Kästchen anzukreuzen, wie eine Beziehung NICHT zu sein hat und damit enttäuscht zu sein. Wie viel nehme ich mir selbst an Lebensqualität, weil ich Menschen aus meinem Leben ausschließe, mit denen ich nicht 100 % meiner Interessen und Erwartungen teilen kann… was für ein Anspruch an jeden von uns, wenn wir weiterhin in diesen Schubladen denken! Es ist der Anspruch, für jemand anderen perfekt zu sein. Wie können wir daran nicht scheitern, wenn wir doch gleichzeitig mit uns selbst verbunden bleiben wollen? 

 

In unserer Gesellschaft sagen wir, dass eine „Ehe gescheitert“ ist, wenn man sich trennt. Diese Redewendung ist mir in den letzten 3 Jahren ein paar Mal begegnet. In meinen Ohren fühlt sich das sehr gewalttätig an. Denn damit wird die Qualität dessen, was ich/wir in unserer gemeinsamen Zeit gelebt haben, in Frage gestellt. Es ist eine Herabwürdigung einer Beziehung, die 15(!) Jahre lang andauerte – mit Höhen und Tiefen, mit all der Arbeit und dem Wachstum was durch sie entstanden ist. Ich möchte diese Erfahrungen nicht missen. Sie waren wichtig für mich und ich schätze sie mit Dankbarkeit und einem erstaunten Lächeln auf meinem Gesicht. Für mich ist meine Ehe nicht gescheitert. Vielmehr bin ich erstaunt darüber, wie ich und mein Ex-Partner in dieser Zeit gewachsen sind! Wie viele verschiedene Menschen wir in den 15 gemeinsamen Jahren waren und wie wir nun für unsere authentische Realität stehen können – ohne es dem anderen recht machen zu wollen. Es ist erstaunlich und gleichzeitig traurig, dass das Verfahren der Scheidung diese verrückte und schöne Lebenserfahrung mit dieser Art von Kommunikation und Erwartungshaltung entwürdigt. Und damit bringt es wahrhaftig Trennung in meine Beziehungsrealität. Durch diese Kommunikation wirkt dieses Bild von einer Ehe und „Beziehungszielen“ auf mich und meinen Ex-Partner. Es schafft einen Krater zwischen uns, weil es das Bild von „wir müssen jetzt Gegner sein“, „wir sind gescheitert“ in unserem gemeinsamen Projekt „Ehe“ vermittelt. Gewalt ist trennend. Ob in Sprache oder in Körperlichkeit. Ich frage mich, wie meine jetzige Beziehung zu meinem Ex-Partner wäre, wenn das Verfahren eher wie eine Beerdigungszeremonie ablaufen würde. In der man vor dem Gericht steht und sagt, was man an diesem Menschen, an der Beziehung geschätzt hat und wie traurig man selbst ist, dass dieser gemeinsame Weg zu Ende ist. Wie sähen Scheidungen aus, wenn wir von Herzen und mit Mitgefühl kommunizieren und zuhören würden? Nicht weniger klar, sondern einfach mitfühlender und wertschätzender die beiden Wege jedes der beteiligten Partner anerkennen würden. Ein Verfahren, bei dem wir gemeinsam trauern und staunen könnten, was dieser Mensch/diese Beziehung in unser Leben gebracht hat … und danach: welche zarten neuen Pflanzen auf dem Boden dieses Grabes der Schublade „Ehe“, wachsen könnten. Denn ich hätte noch eine Menge Dinge mit meinem Ex-Partner zu teilen. 

 

Ich behaupte nicht, dass es ein einfacher Weg sein wird, die von uns aufgestellten Schubladen loszulassen, da sie auch eine gewisse (illusorische?) Sicherheit bieten können. Aber vielleicht ist es einen Versuch wert, sich mehr auf die Qualitäten und eine mitfühlende Kommunikation zu konzentrieren, die wir teilen können, als auf Erwartungen, die wir ohnehin nicht erfüllen können, ohne uns selbst zu verlieren. Wie reich könnte unser Leben sein, wenn wir all die Schönheit aus allen bisherigen Begegnungen mitnehmen könnten, ohne etwas abschneiden zu müssen, weil „es offensichtlich so sein soll“…?