Über das Finden und Verlieren von Liebe

Romantische Beziehungen waren für mich nie einfach zu finden und zu führen. Immer hatte ich das Gefühl, meine Vorstellung von Liebe und Beziehung ist meinen (potenziellen) Partnern zuviel. Zuviel Commitment, zuviel Intensität, zuviel Zeit oder Nähe, die ich mit meinem Partner teilen möchte, zuviel Erwartungen oder Wünsche meinerseits. Irgendwann hatte ich mich gefragt, ob meine Vorstellung von unrealistischen Hollywood-Vorstellungen vergurkt wurden und ich mich damit abfinden muss, dass es diese tiefe Liebe nach der mein ganzes System sucht nicht gibt.
Bis ich meinen jetzigen Partner kennengelernt hatte. Plötzlich sah ich mich in meinen Wünschen, Visionen und meinen Vibes gespielt und konnte mein Glück kaum fassen. Da war plötzlich jemand nach so vielen Jahren, der auf so vielen Ebenen ähnliche Vorstellungen von den Dingen hatte wie ich. Wenn ich ihn ansah, sah ich mich – in männlicher Gestalt. Die Synchronität war schon fast unheimlich. Ich schwebte für Wochen, Monate…
Bis ich von Wolke 7 in die Krise stürzte: Was wenn ich das verliere? Wenn ich nicht mithalten kann, mit seiner Rhythmik, was wenn unsere Ideen sich gegensätzlich entwickeln? Wenn mein Körper etwas anderes braucht als seiner? Was wenn unsere Interessen auseinandergehen, oder noch schlimmer: ungesunde Dynamiken in unsere Beziehung bringen? Worte beschreiben immer nur Konzepte in unseren Köpfen. Und die sind für jede:n einzigartig und individuell. Zu Beginn unserer Beziehung projizierte ich natürlich wie verrückt alle meine Wünsche und Ideen auf meinen Partner. Denn ich trug über Jahre einen riesigen Mangel mit mir herum. Mit der Zeit und mit den Herausforderungen in unserer Beziehung lernte ich nach und nach seine Definition von Liebe, Beziehung, Gemeinschaft und vielem mehr kennen. Und ich durfte mir aktiv Gedanken machen (vielleicht das erste mal bewusst), wie meine eigene Definition von diesen Begrifflichkeiten eigentlich lautet. Welche Bestandteile machen für mich Liebe und Beziehung aus? Was davon ist gesellschaftliche Vorstellung und was im Kern mein eigenes Bedürfnis? Und wo kann ich mich mit ihm dabei treffen?
Ich merkte wie ich versuchte Schritt zu halten. Meine Dämonen zu drängeln versuchte um schneller aus ihnen herauszuwachsen. Um meinem Partner folgen zu können.
Nach der Trennung meines vorherigen Partners, war ich erschüttert, aber bei mir. Ich war mit mir und meinem Körper verbunden, im Vertrauen, dass ich meinen Weg finde und hatte langsam eine Ahnung bekommen wer ich bin. Kurz danach traf ich meinen jetzigen Partner, hatte also kaum Zeit mein eigenes selbstbewusstes Selbst zu festigen und zu etablieren. Unsere Beziehung war (und ist immer noch) so intensiv, dass ich drohte mich darin aufzulösen. Der Stress war enorm, für meinen emotionalen, physischen und spirituellen Körper. Mein Kopf sagte mir Sätze wie: „Ich fühle mich das erste Mal so richtig gesehen und geliebt… ich kann das jetzt nicht wieder verlieren!“. Ich hatte das Gefühl ich muss mich umso mehr anstrengen und irgendwo hinkommen um diese Verbindung nicht gehen zu lassen. Besser mit unserer offenen Beziehung klarkommen, wirtschaftlich selbständiger zu sein um auf Augenhöhe zu kommen, endlich seine Sprache lernen, körperlich gesund werden, damit wir mehr auf Entdeckungsreise gehen können. Ich verurteilte mich, nicht besser mit Situationen klarkommen zu können und hatte Angst, dass meine mentalen Loops und Ängste meinem Partner irgendwann zuviel werden und er sich jemanden sucht, der mehr Leichtigkeit in die Beziehung bringt. Und damit baute eine enorme Erwartungshaltung an mich selbst auf.
Bis der Druck zu groß wurde. Und ich bei einem Ritual mit Freunden nicht mehr konnte. Ich ging aktiv in einen Prozess des Loslassen. Jeder im Zirkel teilte die Intension die er/sie mitbrachte. Alle waren freudig gestimmt, wollten eine gute Zeit verbringen und als ich an der Reihe war antwortete ich nur: „Ich lade heute den Tod ein. Ich ich will nicht mehr kämpfen müssen.“ Bäm! Ich muss nicht dazu sagen, dass für eine Minute mal kurz Ruhe im Karton war. 😉 Was ich mit diesem Satz meinte, ist meinem Verstand eigentlich schon längst klar: Alles geht vorüber. Anicca. Jede:r der schon einmal ein Vipassana-Retreat gemacht hat, weiß wovon ich rede. Das Prinzip des konstanten Wandels und der Vergänglichkeit dem wir nun mal alle unterliegen. Und des Akzeptierens. Aber in meinem System gelandet ist das bis heute nicht vollständig. Also war ich an diesem Abend offen für den Prozess des Loslassens. Des in mich Hineinspürens wie es den wäre nicht mehr im Außen zu sein. Nicht für etwas kämpfen, Schritt halten, mich anpassen zu müssen. Es sich in mir drinnen gemütlich zu machen. Wer wäre ich dann eigentlich? Und wie fühlt sich das an?
Und ich erreichte ein Level von Frieden, das ich in dieser Form nicht kannte. Ich hörte alle um mich herum Reden, Lachen, Musizieren – in einer fremden Sprache, der ich nicht mehr folgen konnte. Mein klassischer Trigger des sich „verstoßen Fühlens“ wurde wieder aktiviert. Und ich blieb bei mir. Aktiv holte ich meinen Verstand wieder und wieder zurück in mein Inneres. Augen geschlossen, ließ jede Emotion, jede Welle von Tränen zu, jedes Gefühl des „nicht-teil-seins“, des „Verbindung-verlierens“. Um zu schauen, was es mit mir macht, mich nicht auf den Fakt zu konzentriere etwas zu verlieren, sondern auf das was da ist. In mir. Ohne jeglichen Aufwand und Anstrengung. Dieses Gefühl der inneren Wärme und des Friedens war in dieser Intensität eine neue Referenz für mich, die ich nicht einmal in einem 10-tägigen Vipassana-Retreat erfahren hatte. Und diese Referenz trägt mich heute noch in meiner Intension mir neben meiner wunderschönen Paarbeziehung mein eigenes, sich liebendes Selbst zu schaffen. Meinen Alltag so zu gestalten, dass ich ihn nicht mehr an der Beziehungsdynamik ausrichte. Den Gedanken zuzulassen, dass mein Partner und ich auch Bereiche haben und haben werden, die alles andere als synchron sind. Unterschiedliche Bedürfnisse, unterschiedliche Rhythmik. Die Angst bleibt als kleines Männeken da „Was ist, wenn mein wahres ich sich woanders hinentwickelt“. Dann spüre ich wieder ein wenig Widerstand, aber entscheide mich bewusst wieder zurück ins Vertrauen zu gehen: Ich weiß, dass mein Partner und ich uns als Menschen nie verlieren werden. Wir werden offen kommunizieren wo unsere Überschneidungspunkte sind. Und dann unsere Beziehung dahingehend anpassen. Weder ich noch er haben die Absicht einander aus dem Leben zu streichen. Wie und was wir teilen ist und bleibt ein Tanz, eine Verhandlungssache, die wir jeden einzelnen Tag besprechen, anpassen und tanzen. Wenn dieser Widerstand, die Angst kommt, dann erinnere ich mich an einen Satz der in der Trennungsphase meiner vorherigen Beziehung für mich klar wurde: Die Menschen und Partner mit denen ich mich umgebe, kann ich wählen. Mein Selbst nicht. Mein Selbst muss ich kennenlernen, es respektieren, mit ihm ins Vertrauen gehen, damit ich die Lebenserfahrung machen kann, die sich meine Seele für dieses Leben ausgesucht hat. Ansonsten handle ich wieder aus Angst, aus Überlebensdrang und letztendlich aus einem Mangel und nicht aus der Liebe und Fülle heraus.
Heute fragte mich mein Partner ob ich die Version von mir mag, die ich mit ihm zusammen bin. Und ich konnte mit einem Grinsen im Gesicht und Frieden im Herzen bejahen. Ich arbeite in meiner Rhythmik an meinen Themen, dränge mich nicht mehr, akzeptiere die unterschiedlichen Bedürfnisse, nähre mich mit Dingen die mir gut tun, wenn er seinen Wünschen folgt und ich genieße vor allem umso mehr die Momente die wir in Synchronität sind in vollen Zügen.
Ich wünschte mir Hollywood würde mehr solch eine Lovestories abbilden. Dann hätte vielleicht der oder die andere etwas weniger Druck, wenn es mal nicht nach Schema F läuft.
